50+1 bleibt! Verbrannte Erde auch

Ein Kommentar der Fangruppen Herritours zu den aktuellen Entwicklungen rund um den Hannoverschen Sportverein von 1896 e.V..

Nichts hat unseren Club in der jüngeren Vergangenheit so belastet wie das 50+1 Thema. Diese Debatte. Die Personalie Martin Kind. Und die Begleiterscheinungen dieses Unfriedens. Ein tiefer Riss ging durch die ohnehin angespannte Gemeinschaft bei 96.

Die Szene war eine Saison bei dem Amateuren, Martin Kind polarisierte ständig, Abstieg 2016 usw. Blicken wir, für eine kleine Zusammenfassung des 50+1 Konfliktes, ca. 25 Monate zurück.

Sommerpause 2017

Während der ein oder andere im Urlaub noch von den Aufstiegsfeierlichkeiten ausruht, an den ersehnten Derbysieg im April zurückdenkt und sich mental auf die kommende Erstliga-Saison vorbereitet, kommt über Nacht der Schlag und Unruhe auf: Martin Kind will den Antrag auf Ausnahme von der 50+1 Regel stellen und das Ganze heimlich mit der Mehrheit vom Aufsichtsrat durchdrücken.

Am nächsten Tag versammeln sich um die 300 96 Fans um vor dem Niedersachsenstadion ihre Meinung zu diesen Alleingang zum Besten zu geben. Oder eher um ein Zeichen zu setzen. Mehr war nicht möglich und der damalige Aufsichtsrat gab mit 3 zu 2 (Gegen)stimmen sein „ok“.

Was dann folgte war ein Ende August 2017 gestellter Antrag auf „Ausnahme von der 50+1 Regel“ und ein erstes Fanszenetreffen der Aktiven. Damals noch im Haus der Jugend am Aegi. Die Ultras gaben schnell zu verstehen, dass für sie ein „Weitermachen“ nicht in Frage kommt und auch der Rest kam zu dem Ergebnis: Stimmungsboykott. Wir saßen danach größtenteils schweigend noch auf ein Bier zusammen und ahnten schon, das eine harte Zeit folgen würde.

Der Boykott war ein schwerer Schritt, zu dem wohl jeder immernoch (s)eine Meinung hat. Wir von Herritours haben uns von vorneherein zu 100% dahinter gestellt, auch wenn uns klar war, dass das (Spaß)Erlebnis im Stadion nun erst einmal vorbei sein würde. Doch darum ging es eben nicht und die Laune war nach Kinds Alleingang gefühlt sowieso da, wo Gandalf und der Balrock ihre Rangelei hatten. Unten. Ganz weit unten. Keller. Noch weiter unten.. Herr der Ringe Fans wissen Bescheid.

Es folgte ein sportlich sehr guter Saisonstart, eine „Kind muss weg“ gegen „Ultras raus“ Schlacht im September beim Heimspiel gegen den HSV(für mich persönlich der Tiefpunkt) und viele weitere Fanszenetreffen. Die Monate vergingen, es kam nichts von der DFL. Die (aktive) Kurve schwieg, es hagelte immer wieder Spruchbänder. Bundesweit solidarisierte man sich mit den 96ern.

Pro Verein 1896 verfasste eine Schutzschrift, die regionale Presse um Madsack und unsere Kumpels Krebs und Beike von Schmierblatt heizten den Konflikt an. Extern für BILD schaltete sich Peter Rossberg ein, der das Ganze erstaunlich sachlich und super sachkundig anging. Ungewohnt! Das tat der geschundenen Fanseele schon richtig gut. Doch wie war die Stimmung unter den Fans? Es wurde beleidigt, verleumdet usw.

Es ist kaum möglich, alles hier aufzuzählen ohne dabei dann doch einen Roman zu schreiben. Und den tippe ich hier eigentlich ja doch.. Die Mannschaft um Coach Breitenreiter spielte aber trotz allem weiter eine konstante Runde.

Das Jahr 2018 kam und es folgte eine Demo für den Erhalt des Volkssports Fußball. Sicherlich 1500-2000 96er zogen vor dem Mainz Spiel durch die Stadt und trugen unsere Leidenschaft für diesen Sport und unseren Klub symbolisch zu Grabe. Wir bei HTH beteiligten uns nach unserem ermessen an den Aktionen und überlegten, wie wir noch mehr Leute erreichen und sensibilisieren.

Dafür nutzten wir, wie eingangs erwähnt, vor allem Facebook als Medium, was natürlich Licht und Schatten mit sich bringt. Wir haben tatsächlich Leute dazu motiviert, in den Verein einzutreten. Kaum zu glauben. Auf der anderen Seite hätte man sich die ein oder andere Diskussion in der Kommentarspalte sicherlich sparen können. Bis auf Vereinzelte Gesichter, vor denen ich persönlich großen Respekt habe, zog es zu den Fanszenetreffen leider immer die gleichen Gesichter.

Es folgte die Ruhestellung des Antrags, zwei Spiele Support, unerfüllte Bedingungen und vieles mehr. Deutschlandweit bildete sich ein Übergreifendes Bündnis mit über 3000 Fangruppen, das sich für den Erhalt der 50+1 Regel, als elementarer Bestandteil des Deutschen Fußballs, aussprach und die DFL Mitgliederversammlung besuchte. Bis zur Sommerpause 2018 schaffte unsere Mannschaft den Klassenerhalt, der Antrag wurde wieder auf „aktiv“ gestellt. Mitte Juli folgte dann, das zu dem Zeitpunkt zu erwartende „Nein“ der DFL. Jubel bei uns, Kind behielt sich den Klageweg vor. Zur Saison 18/19 nahm dann die aktive Fanszene den Support wieder auf und innerhalb des Vereins erstarkte die sogenannte Opposition um Pro Verein 1896.

Wir vernetzten uns mehr und mehr über die RK, es gab unsere beiden Kleberverkäufe um Pro Verein nach einem verlorenen Gerichtsverfahren(eigentlich war man quasi fast im Recht, hatte aber die Kosten zu tragen) ein wenig zu helfen usw. Die Leute waren emotional ausgezerrt, alleine schon die juristischen Schlachten gegen den eigenen Verein(bzw. KgaA), die wir in der Aufzählung hier glatt vergessen haben, sind schlimm genug.

Letztlich gab es den nächsten großen Sieg auf der JHV 2019, wo Pro Verein alle 5 Kandidaten für den neuen Aufsichtsrat installieren konnte. Martin Kind ist nicht mehr Präsident, „nur“ noch Geschäftsführer der ausgegliederten Fußballabteilung. Oder wie es immer gerne heißt: „Wirtschaftsunternehmen Profifußball“.

Wie wir ja nun alle wissen, ging es sportlich in Liga 2. Freitag verloren wir 2:1 in Stuttgart und seit gestern ist klar: 50+1 bleibt. Bleibt, aber mal wieder „vorerst“, man weiß nie. Dennoch ein weiterer großer Erfolg in einem Kampf, den man an jenem Montag 2017 mit 300 Leuten vor der Geschäftsstelle, schon als verloren angesehen hatte. Doch was hat er hinterlassen? Ein sowieso schon seit Jahren angespanntes Verhältnis zwischen dem harten Kern und vielen „normalen Fans“ uferte aus. Vielen ging es um die Mannschaft, nicht um den Club. Um die 90 Minuten und nicht darüber hinaus. Sie sahen keinen Sinn im Stimmungsboykott, auch wenn sie die Position der Fanszene gegenüber Kind verstanden.

Andere waren Hardliner, die sich ebenfalls für Fall der Regel aussprachen. Nur waren sie nicht organisiert. Ebenso wenig war und ist die breite Masse Mitglied im Verein oder unterstützt die Jungs auswärts.

Und was ist eigentlich mit dem Breitensport? Es war und ist kompliziert. Immer wieder könnte man das alles ohne Ergebnis ausdiskutieren. Vielleicht sollten wir aber auch akzeptieren, das dies so ist. Ich persönlich glaube zu 96%, dass wir uns nicht allzu sehr annähern werden. Das müssen wir aber auch nicht. Wir brauchen einen kompletten Neuanfang. Wir waren fast tot, haben uns quasi selber wiederbelebt, mussten durch die Reha und stehen nun mehr als gesundheitlich angeschlagen in Liga 2.

Und für alle Gegner der Metapher: die gilt auch für den e.V. , um den es finanziell nicht gut bestellt ist. Wer da nun die Schuld trägt, bringt uns nicht weiter. Ebenso wenig, wenn sich Gesellschafter und der neue Vorstand nun erpressen oder ausspielen.

Wir müssen alle versuchen, unser Verhältnis auf den kleinsten Nenner runterzubrechen: Das ist und bleibt immer noch die Liebe zum Hannoverschen Sportverein von 1896. Für den wir alle nur das Beste wollen, und uns untereinander wegen unserer Positionen und Emotionen völlig entfremdet haben.

Was soll passieren, damit wir uns abwenden?

Könnte man uns nicht alles zumuten?

Dieser Konflikt hat tiefe Narben hinterlassen.

Lasst und nun endlich zusammen für das Wohl von Hannover 96 eintreten. Tretet in den Verein ein und gestaltet die Zukunft mit. Die Mitglieder und Demokratie sind das höchste gut im Klub. Ich persönlich hätte mich mit den Plänen Kind’s auch, sagen wir „arrangieren können“, wenn sie die Mehrheit getragen hätte. Dann wäre es nicht mein Weg gewesen, aber ich hätte es akzeptiert und meine Konsequenz gezogen. Aber diese Ego Nummer konnte und durfte ihm nicht gelingen. Ob es zum Wohl von 96 gewesen wäre, ist ebenfalls streitbar. Wie fast alles bei diesem Thema. Lasst und nun also dem neuen Vorstand und Aufsichtsrat vertrauen. Kind muss weg, ja, aber ist noch ein nicht unwichtiger Teil bei Hannover 96. Werdet wie erwähnt Mitglied. Wer 9€ im Monat für Netflix hat, hat sie auch für Hannover 96. Oder es werden mal 2 Stadionbiere gespart. Wie auch immer.

Wir von Herritours haben polarisiert und werden es auch weiterhin tun. Im Stadion und auch hier. Wir sind keine wichtigen Entscheidungsträger oder Sprachrohr, aber ihr könnt mit uns in die Diskussion gehen. Respektvoll, wie es sich gehört, wenn man für die gleichen Farben singt. Lasst uns das Kriegsbeil endlich begraben und unsere Kraft und Stimmen denen widmen, denen wir sie 2017 aus Gründen versagt haben. Alle zusammen für unsere Liebe. Aber eins, aber eins, das bleibt besteh’n – Hannover 96 wird niemals untergeh’n!

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